Folgend ein einsichtsvoller Erlebnisbericht von unserem Vorstandsmitglied Reinhold Weiler, der 1990 die Teamleitung der Gemeindegründung „FeG Müllheim“ übernahm.

Gemeindegründung hat mit (Selbst-) Organisation zu tun, damit zu leiten, zu lehren und vielleicht viel mehr noch damit zu lernen, erfordert einen hohen zeitlichen Einsatz, kostet einiges an Energie. Außerdem lässt uns wohl kaum etwas so sehr unserer Unzulänglichkeit bewusst werden wie die Arbeit in der Gemeinde (-gründung). Und das ist gut so! Es braucht also vor allem ein unbegrenztes Vertrauen in unserer großen, allmächtigen Gott. Es braucht das beständige Gebet – in Gemeinschaft und allein.

Aber das alles ist nur ein kleiner Teil dessen, was Gemeindegründung ausmacht. Da sind die vielen sozialen Kontakte – Beziehungen innerhalb des Teams, der (werdenden) Gemeinde, zu Außenstehenden, Behörden, Pastoren anderer Gemeinden (z.B. im Rahmen der Allianz), zu Antiochia Teams, einem Gemeindebund, möglicherweise noch erweitert um die Beziehungen zu Arbeitskolleginnen und -kollegen, Vereinsmitgliedern, Nachbarn, seelsorgerliche Kontakte,… und – das sollte eigentlich nicht an letzter Stelle stehen – es könnte ja noch eine Ehefrau und Kinder zum Kreis der sozialen Kontakte gehören.

Mir wurde erst im Lauf der Gemeindegründung bewusst, wie vielfältig mein Leben ist, wie reich an Beziehungen- und wie viel Zeit und Kraft diese Beziehungen kosten können. Um allem gerecht werden zu können, habe ich die für mich wichtigsten Beziehungen vernachlässigt: Meine Frau Tabea und unser Kind (später Kinder) hatte phasenweise nicht viel von mir – es gab immer etwas zu besprechen, eine Predigt oder eine Sitzung vorzubereiten, einen Anruf entgegenzunehmen – auch dann, wenn die Agenda Lücken und ich eigentlich „frei“ hatte. Da blieb keine Zeit – zumindest keine ungestörte Zeit mehr für unsere Zwei-, besser Drei-, später „Viersamkeit“, schließlich wollten unsere Kinder ja auch immer wieder etwas von ihrem Papa sehen und hören.

Es hat etwas gedauert, bis uns dieser Missstand bewusst wurde. Abhilfe hat eine ganz einfache Regelung geschafft: Ein halber Tag pro Woche, der reserviert war für Ehe und Familie. Das hört sich vielleicht wenig an. Aber wir haben diese Zeit wirklich für uns genutzt – keine Termine, Telefonate, selten war etwas so dringend, dass es unbedingt an diesem Nachmittag erledigt werden musste. Durch diese einfache Regelung wurde uns neu bewusst, wie wichtig diese zentralen Beziehungen sind, wie viel Kraft wir daraus schöpfen können, wenn wir nicht nur theoretisch wissen, dass Ehe und Familie eine hohe Priorität haben soll, sondern das auch praktisch umsetzen.  Und wie sehr Gott nicht zu Unrecht die Ehe schützt.

Im Nachhinein wundere ich mich darüber, dass ich das nicht früher erkannt habe. Erst die klaren Worte von Tabea, dass es so nicht weitergehen kann mit uns machten mir bewusst, wie falsch meine Prioritäten waren. Umso erstaunter war ich, wie wenig Organisation es brauchte, um den Missstand zu beheben.

Also unbedingt Prioritäten setzen: Zuerst Gott und die Beziehung zu IHM, dann die Ehe und Familie – und dann die Gemeinde (-gründung) und alle anderen Beziehungen. Eine andere Reihenfolge gefährdet alles.

 

Euer Reinhold Weiler